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Spagat

Piolam - der Spagat zwischen Independet und City Disc

Mit "Lissabon" präsentieren die beiden Musiktüftler T.J. Gyger (Gölä III) und Ändu Sigrist (aextra) ihr zweites gemeinsames Werk. Und das erste, das die beiden unter dem Namen Piolam so richtig gross rausbringen. Wurde der Erstling "Project Idée" im Jahr 2000 noch in Eigenregie vertrieben, wollen es die beiden jetzt wissen - verkauft wird die CD spätestens ab dem 25. April in allen grossen Musikläden, angeführt von Manor, City Disc und Ex Libris. Das die CD die Verantwortlichen der Musikläden überzeugt hat erstaunt nicht. Im Gegensatz zu "Project Idée" ist "Lissabon" nicht mehr "nur" eine Chillout-Scheibe, sondern ein feines, filigranes und vielschichtiges Pop-Oeuvre, das den Zuhörer von der ersten Sekunde gleich mitnimmt auf eine spannende Reise durch unerforschte musikalische- und Gefühlswelten:

"Always" - samtweich und süss wird der Hörer gleich zu Beginn entführt. Die Reise führt weiter nach "Lissabon" - Ursprung und Ziel der CD. "Lissabon" ist der zweite Track und der Titelsong - und Lissabon ist Austragungsort der diesjährigen "Gymnaestrada" - der Olympiade der Turner aus der ganzen Welt. "Lissabon" wird der Soundtrack des Schweizer Auftrittes in Lissabon sein. Nach "Lissabon" folgt die aktuelle Single "Nothing new" - der erste, aber auch der einzige Hanger auf der CD. Zwar immer noch getragen von Leslie Bogaerts kräftiger, souliger Stimme, aber ein ziemlich fantasieloser Ausflug in die Dancewelt. Ein Ausflug, den Musiker von Piolams Schlag eigentlich nicht nötig haben. Das sie mit solchen Nummern nur "Verlieren" können wurde ihnen glücklicherweise klar - "Verlieren" ist die Rückkehr zum geheimnisvollen Pop der schon die ersten beiden Nummern prägt. "Verlieren" ist die Rückkehr zu Piolam eben, zu "unserem Herzkind" wie es T.J. nennt. Track 5, "Moment", verfestigt die nun aufkommende Stimmung. Die Lust an der Musik, die Lust am Gefühl, die Lust an Keyboardspielereien, die Lust an satten Stimmen, an tragenden und dennoch schwebenden Bässen, die Lust an der Musik. Allerdings für länger, als für "just one Moment", wie's im Text heisst. Und kommen gegen Ende des Songs sogar rockige Gitarren zum Zug, so ist dies nichts anderes, als geschickte Vorbereitung auf das, was da noch kommen soll. Bevor's weitergeht, macht der Hörer allerdings eine Rast in T.J.'s Welt. Ein einziges Mal auf "Lissabon" erkennt man in "À sua vontade" den verspielten Pianisten, der Gölä's Liedli mit seinem virtuosen Spiel einen Boden gegeben hat. "Silence" zieht danach das Tempo ein wenig an. In Deutsch, Englisch und Französisch erzählen Leslie Bogaert und Christian Tschanz von der Ruhe und davon, wie wichtig diese ist. Patrick Zihlmann - übrigens DIE Gesangsentdeckung auf "Lissabon" - macht mit "Change" danach die Düsterheit und die Schwere, wie sie nur von Verzweiflung geschaffen werden können, greifbar. Gleichzeitig hört man hinter den allgegenwärtigen Klangvorhang aus dem Keyboard immer mehr die Gitarren schreien - die warten auf das folgende "Stay". "Stay" verharrt nicht in der Düsterheit und der Schwere, nein es entführt den Hörer wieder in eine positiver angehauchte, schneller und fröhlicher laufende Welt - in eine Welt in der sich Synthis, Pop und Rock zu einer kraftvollen Mischung zusammenfinden, die vorher so kaum je gehört wurde. Vor dem Abschluss der CD lässt Ändu Sigrist sein Publikum noch einmal Luft holen für's grosse Finale. Leicht und luftig präsentiert er sein virtuoses und verträumtes Gitarrenspiel auf "Home". Und dann ist da plötzlich der alles auflösende "Summerrain". Ein Intro, dass das Herz in Erinnerung an "Nothing new" kurz stocken lässt - und dann die Erlösung, anstatt in der Eintönigkeit zu versinken eröffnet sich ein Bouquet aus Keyboards, Gitarren und Stimmen wie ein Bouquet von Farben und Düften nach einem Sommergewitter die Herrschaft über die Sinne gewinnt. Alles in Allem ist "Lissabon" ein Werk, das vor Professionalität nur so strotzt. Rein und sauber produziert, zusammen mit so hochkarätigen Namen wie Peter Keiser am Bass oder der Eurovisions-Sängering Leslie Bogaert als Stimme ist "Lissabon" ein rundum abgeklärtes, fertiges und in sich geschlossenes, kompaktes Werk.

Fasziniert von soviel Vielfalt wollte der Trendsetter mehr wissen - und er entführte T.J. zum Eistee und zur gnadenlosen Befragung ins schönste Café der Schweiz - auf den Thuner Mühleplatz:

Trendsetter: Bei den grossen Plattenläden einzusteigen war für dich wohl kein Problem mehr, nach Gölä III...
T.J.: Klar hat das uns geholfen. Und dennoch war ich erstaunt, dass wir überall reinkamen. Schliesslich wurde uns immer eingeredet, eine Band hätte ohne Majorlabel im Rücken keine Chance in die Plattenläden zu kommen.
Trendsetter: Wollt ihr denn mit "Lissabon" gross abdrücken und CDs en masse verkaufen?
T.J.: Natürlich wollen wir CDs verkaufen und Piolam bekannt machen. Als Musiker bist du irgendwo auf gewisse Verkaufszahlen angewiesen wenn du weitermachen willst. Ganz zuerst ist aber Piolam unser Independent-Kind und das soll auch so bleiben. Was wir lediglich wollen, ist der Schweiz zeigen, dass es überhaupt jemanden gibt, der den schmalen Grat zwischen Event-Sound und Pop begeht.
Trendsetter: Ihr habt bisher mit euren eigenen, vorangehenden Werken alles andere als Chillout-Sound gemacht. Wie kann man Vollgasrocker sein und gleichzeitig solch filigranen Pop bieten, wie ihr es auf "Lissabon" tut?
T.J.: Keine Ahnung. Ich muss vielleicht vorausschicken, dass Ändu und ich seit jeher Sound aus der Massive Attack Ecke gemocht haben. Dann kam Ändu vor drei Jahren zu mir, weil ein Kumpel ihn nach Chillout-Sound zum Treffen des Europäischen Jugendparlaments in der Schweiz gefragt hatte. Plötzlich hatten wir die Möglichkeit, praktisch ohne Vorgaben unser eigenes Ding zu machen.
Trendsetter: Gibt es in der Schweiz überhaupt Musiker, die wie ihr Musik auf Auftrag machen?
T.J.: Ich weiss, dass es einige gibt, die zu Hause an ihrem PC sowas wie Chillout-Sound machen. Das ist aber genau das, was wir nicht wollen. Wir können komplette Alben, wir können eine Band, wir können Live-Sachen für Events aller Art machen. Auch wenn's das abgefahrenste OpenAir für 20 Hasen ist - wenn's uns gefällt, sind wir dabei.
Trendsetter: Gibt auch einen Markt für solche Produkte?
T.J.: Gute Frage - das versuchen wir selber noch herauszufinden. Interessant ist jedoch ein anderer Aspekt: Wenn wir diesen Auftrag des Turnverbandes
nehmen: Da eröffnet sich uns plötzlich ein Markt und eine Power, die wir anderswo nie kriegen könnten. Da haben wir so viele Leute im Rücken...
Trendsetter: Turnst du eigentlich selber tatsächlich noch, oder ist die Geschichte mit dem Turner T.J. bloss noch PR?
T.J.: Ne ne - ich besuche wöchentlich meine Trainigs und mache meine vier Turnfeste im Jahr. Und heuer darf ich nun auch noch mit an die Gymnaestrada
- die Turnerolympiade. Wenn schon nicht als Turner, so doch wenigstens als Musiker... (grinst)
Trendsetter: Zurück zu Piolam. Ist eine Tour in Planung?
T.J.: Ja, wir sind am Proben.
Trendsetter: Wer wird mit von der Partie sein?
T.J.: Ändu und ich und wahrscheinlich der am wildesten zusammengewürfelte Haufen der Schweiz. Am Drum sitzt Thisu - Deathmetaldrummer von Nekropolis. Dann haben wir die Sänger Christian Tschanz und Patrick Zihlmann, sowie Sängerin Leslie Bogaert. Ich stehe an den Tasten, Ändu an der Gitarre und den Bassisten verrate ich noch nicht. Nur soviel: Es wird eine spannende Sache.
Trendestter: Wird euch diese Tour über die grossen Bühnen führen?
T.J.: Nein, das wird vornehmlich eine Clubtour - vielleicht mit dem einen oder anderen grösseren Auftritt.
Trendseter: Was machst du eigentlich neben Piolam?
T.J.: Letztes Jahr habe ich viele Produktionen gemacht, wie zum Beispiel Aexta. Heuer bin ich dran, mindestens drei Projekte aufzubauen, die ich im nächsten Jahr rausbringen möchte. Ich habe stets versucht, nicht zu sehr der Auftragsmusiker zu werden, sondern zu einem grossen Teil meine eigenen Sachen rauszubringen.
Trendsetter: Als Musiker kann man aber alleine in der Schweiz kaum überleben...
T.J.: Stimmt. Deshalb bin ich zur Zeit auch an einem Projekt in Deutschland
- einfach mal als erster Versuch, mich ausserhalb der Schweiz zu bewegen.